Protestantische Theologie ist Theologie des Rƶmerbriefes. Von Luther bis zu Karl Barth hat sie ihr Profil an Paulus geschƤrft und aus dem Rƶmerbrief die stƤrksten Impulse für eine Erneuerung der Kirche gewonnen. Hier macht Calvin keine Ausnahme. Sein Kommentar -in der Zeit seiner ersten Genfer Wirksamkeit zwischen 1536 und 1538 abgefasst - steht an der Spitze seines immensen theologischen Werkes. Hier werden die Weichen für sein SchriftverstƤndnis gestellt, aber auch für die dogmatischen Entscheidungen in den für ihn zentralen Fragen der PrƤdestination, der Zuordnung von Rechtfertigung und Heiligung oder des heute so aktuellen VerhƤltnisses der Kirche zu Israel. In der gegenwƤrtigen Forschung wird mit Recht intensiv diskutiert, ob man den Theologen Calvin von seinen exegetischen Arbeiten her zu verstehen habe. Hier bietet dieser Kommentar eine unverzichtbare Argumentationshilfe. Hinzu kommt ein Zweites: Der Ā»RƶmerbriefĀ« erƶffnet das umfangreiche Kommentarwerk Calvins und liefert den Schlüssel zu seinem VerstƤndnis. Vor allem aber ist er die Ā»modernsteĀ« unter den zahlreichen Auslegungen, die das Reformationszeitalter hervorgebracht hat. Calvin hat Ā»aus einer Pflichtübung ein MeisterstückĀ« gemacht (B. Cottret). An PrƤgnanz, Schlichtheit und Klarheit ist der Kommentar seinen VorlƤufern überlegen. Was aus der groĆen humanistischen Tradition zu lernen war, von Erasmus, Bude und Melanchthon, hat hier seinen Niederschlag gefunden. Insbesondere die konsequente Anwendung der Rhetorik als exegetische Ā»MethodeĀ«, also das Ziel, seine Leser argumentativ, durch ein punktgenaues Nachzeichnen der inneren Bewegungen und Pointen des Briefes zu überzeugen, macht ihn noch heute zu einer fesselnden Lektüre. Mit Calvin gesprochen: Die Schrift enthƤlt keine esoterischen Weisheiten; sie will sich allgemein bekannt machen. Sie ist ein Dokument kommunikativer Wahrheit.