Individuelle Lebensentwurfe werden im Kontext gesellschaftlicher, historischer und politischer Prozesse entwickelt. Weil diese Prozesse auch von kollektiven, traumatischen bzw. traumatisierenden Ereignissen und Perioden (wie Krieg) gepragt sind, stossen Individuen und Familien hier immer wieder an die Grenzen der Uberforderung. Mit anderen Worten: Kollektive Traumatisierung bedarf kollektiver Moglichkeiten ihrer Aufarbeitung - auch aus psychotherapeutischen Erwagungen. Die Seele eines Einzelnen, aber auch die Familienseele ist damit uberfordert, Ereignisse wie den Ersten oder Zweiten Weltkrieg mit all seinen katastrophalen Anteilen (Gewalt, Vernichtung, Verlust) individuell zu verarbeiten. Familienrekonstruktion ist vor diesem Hintergrund als Beitrag zur kollektiven Aufarbeitung zu verstehen. Naturlich erklaren kollektive Themen nicht ausschliesslich individuelle Entwicklung; naturlich ist immer auch die Frage, wie sich der familiare Mikrokosmos entwickelt hat, mit welchen Ressourcen und Noten Mutter und Vater ihre Beziehung und die Elternschaft angetreten haben. Und es ist immer die Frage, welche (subjektiven) Entbehrungen, Enttauschungen und Verletzungen das genau in dieser Familie gross werdende Kind einladen, sich mit den grossen, kollektiven Themen zu beschaftigen oder eben weniger oder auch gar nicht. An der Schnittstelle individueller und gesellschaftlicher Entwicklung gehort der Einzelne in den Fokus einer Psychotherapie, die sich auch als (friedens-)politische Arbeit begreift, wie die Autoren es tun. Verknupft mit sehr personlichen Einblicken geben Tobias von der Recke und Ursula Wolter-Cornell Auskunft uber ihre Arbeit als systemische Familientherapeuten. Sie klaren die Methode der systemischen Familienrekonstruktion, ihre therapeutische Wirksamkeit und benennen das Handwerkszeug, auf das es ankommt. Zahlreiche Fallbeispiele veranschaulichen und erleichtern den Transfer in die Praxis.