Der Ruf nach Ethik ist überall zu hƶren. Angesichts der groĆen Herausforderungen, die gerade durch die technologischen Entwicklungen im Gesundheitswesen anstehen, ist das nicht verwunderlich, weil Ethik allgemein mit Orientierung verbunden wird. Aber welche Orientierung kann Ethik in diesem Fall geben und welche Ethik braucht es, um die notwendigen Fragen zu beraten und entsprechende Schritte zu gehen?
Braucht es mehr Ethik im Bereich von Forschung und Entwicklung für die Biomedizinische Technik? Ist es nicht ein Dilemma der Ethik, dass sie entweder zu spƤt kommt, sie ethische Bewertungen für technische Entwicklungen liefert, die bereits etabliert und kaum mehr zu korrigieren, geschweige denn rückholbar sind? Eine āŗprospektiveā¹ Ethik andererseits handelt sich leicht den Vorwurf ein, alarmistisch oder systemstabilisierend, in jedem Fall unseriƶs und unnƶtig zu sein, weil sie über Mƶglichkeiten spekuliert und hierbei entweder die Probleme herunterspielt oder übertreibt.
Genauer wƤre noch zu fragen, wer denn überhaupt nach (mehr) Ethik ruft? So steht, wer nach Ethik ruft, leicht auch im Verdacht, ein Ablenkungsmanƶver zu betreiben, um die schmerzhaften politischen Fragen zu umgehen, oder ā kaum besser ā das jeweilige System noch effizienter zu machen. So findet sich die Ethik in der prekƤren Situation, als Feigenblatt für eine technisch-ƶkonomische Entwicklung zu dienen, die damit gleichsam approbiert wird. Umgekehrt steht eine Ethik, die penetrant nachfragt und womƶglich gar die āŗSystemfrageā¹ stellt, in der Gefahr, als lebensfremde Schreibtischdisziplin ohne Wirkung zu bleiben. Eine Ethik, die sich auf die Niederungen der praktischen Projekte und alltƤglichen Forschungs- und Entwicklungsarbeit einlƤsst, wird aus diesem Prozess nicht ohne Ā»schmutzige HƤndeĀ« (Celikates 2011) herauskommen. Was aber bedeutet das für die technologischen Prozesse, für die Ethik als Disziplin und für die gesellschaftliche Entwicklung?
Angesichts der eminenten Entwicklungen im biomedizinisch-technischen Bereich ā wesentliche Treiber des Forschritts sind Biomolekularisierung, Miniaturisierung, Personalisierung, Computerisierung und Vernetzung ā werden auf der Grundlage dieser Entwicklungen in diesem neuen Band der Reihe Health Academy ethische Reflexionen geliefert, welche die Bedeutung und die Implikationen dieser komplexen, pervasiven und ubiquitƤren technischen Welten für das SelbstverstƤndnis der Menschen und ihr Handeln reflexiv einholen.
Hierzu werden nach einführenden Ćberlegungen aus technischer wie ethischer Perspektive in einem ersten Teil ethische und anthropologische Herausforderungen anhand ausgewƤhlter medizintechnischer Entwicklungen dargestellt.
Der zweite Teil bietet Perspektiven aus den Bereichen des Rechts, der Ćkonomie sowie geisteswissenschaftlicher Disziplinen mit einem unmittelbaren Bezug zur Entwicklung oder dem Einsatz von biomedizinischer Technik.
Der dritte Teil reflektiert auf ausgewƤhlte medizin- und informationstechnische Anwendungen und die damit verbundenen ethischen Aspekte. Die hier getroffene Auswahl strebt einerseits eine gewisse ReprƤsentativitƤt der Themen an, macht aber zugleich deutlich, wie nƶtig eine differenzierte und konkret arbeitende Ethik ist.
Der vierte Teil blickt auf die verschiedenen Formen von Institutionalisierung, die in der Ethik mit Bezug auf die biomedizinische Technik mittlerweile erreicht worden sind und fragt von hier aus nach mƶglichen Weiterentwicklungen.
Im Contrapunctus wird in bewƤhrter Weise das Thema noch einmal von einer ganz anderen Seite beleuchtet.