Die Weimarer Reichsverfassung verstand sich als konsequent demokratisch. Sie kannte keine Bindung des SouverƤns an vorgegebene Prinzipien oder Werte. Sie wollte ein demokratisch-offenes System. Deshalb stand die Verfassung selbst unbegrenzt zur Disposition der Legislative. Was der Gesetzgeber mit 2/3 Mehrheit beschloss, galt, auch wenn es die Verfassung mehr oder weniger grundlegend Ƥndern würde. Das galt auch für Entscheidungen mit 2/3 Mehrheit, die nicht die Absicht hatten, die Verfassung zu Ƥndern (sogenannte verdeckte VerfassungsƤnderung). Hier soll nicht die These vertreten werden, die Weimarer Verfassung sei die Hauptursache für das Scheitern der Weimarer Republik. Die Verfassung kannte durchaus, entgegen mancher Behauptung, Grundrechte als Richtlinien für die Rechtsprechung, wenn auch nicht als unmittelbar einklagbare individuelle Rechte. Sie hatte auch im Staatsgerichtshof einen āHüter der Verfassungā, freilich nicht mit so weitreichenden Befugnissen wie unser heutiges Bundesverfassungsgericht. Aber was man unter Demokratie verstand, war nicht konstitutionell eingegrenzt. So konnten die Nationalsozialisten ungehindert eine ālegaleā Abschaffung des āSystemsā propagieren und betreiben ⦠Die āabwehrbereite Demokratieā des Grundgesetzes ist eine Konsequenz solcher Erfahrungen. Sie setzt in mehrfacher Weise Bestrebungen von Verfassungsfeinden eindeutig Grenzen. ā¦Man sollte Demokratie ⦠als Ausdruck der Unvollkommenheit menschlicher VerhƤltnisse darstellen, als eine freiheitliche Ordnung, die die Konsequenz aus dieser Unvollkommenheit ist; die mit der Fehlbarkeit der Menschen rechnet und deshalb stƤndige Kritik und Kontrolle braucht, Offenheit für VerƤnderungen; die aber nicht dem ideologischen Irrtum unterliegt, man kƶnne Geschichte und Gesellschaft politisch zur Vollendung führen. Die Notwendigkeit stƤndiger gegenseitiger Kritik und Kontrolle aller KrƤfte und Organe folgt gerade aus dieser Erkenntnis. Deshalb bleibt Demokratie auch immer gefƤhrdet. (Aus dem Beitrag von Bernhard Sutor)